Mick Jagger und die Pontos-Griechen

von Epaminondas Kalpakidis, beigetragen haben Petroula Savoulidou und Christos Savvidis
 
"Vieles habe ich vergessen. Aber eines weiß ich genau: Mick Jagger und ich hatten niemals Sex miteinander“
Keith Richards, Rolling Stones
 
Die Stones hatten sicher Ihre eigene, spezielle Art, um Musik zu leben. Drogen und andere Exzesse waren ein Teil davon, aber natürlich auch eine Hingabe zu dieser besonderen Kunst, die es schafft über Liebe, Hass, Träume, Armut und so vieles mehr zu sprechen. Fakt ist, sie haben eine Generation geprägt.
 
Musik als elementarer Baustein des Alltags und der Lebensfreude findet man zum Beispiel auf Kuba. Ich habe mir die Dokumentation BUENA VISTA SOCIAL CLUB angeschaut und zwei Dinge haben mich bewegt. Auf der einen Seite die an der Grenze zur Armut lebenden Menschen, die in den Gossen tanzen und singen und mit dem was sie haben zufrieden sind, aber auch wie die Musiker der Musik Leben einhauchen durch all diese Gefühle die sie in diesem Moment durchwandern wie Liebe, Schmerz, Nostalgie und Familie, ja, Familie ist ein Gefühl.
 
Ich versuche zu dem Hauptteil meines Artikels zu gelangen, und zwar will ich Ihnen erklären was wir Griechen aus Pontos fühlen, wenn wir an einem Tisch sitzen und singen, bzw. zuhören, aber mein Plan wird durchkreuzt von anderen, einzigartigen musikalischen Momenten. Sei es nun der gemeinsame Auftritt von James Brown und Luciano Pavarotti die es geschafft haben Soul und Oper zu verbinden und ´This is a mans world´ in einem epischen Duett zu performen oder Andre Rieu, der tausende Menschen in einem Konzertsaal dazu bewegt hat zu Zorbas (Sirtaki) von Mikis Theodorakis zu tanzen.
 
Herzzerreißend ist es wie Musik, in dieser schweren Zeit, in der wir uns durch die Pandemie befinden, die Italiener auf die Balkone gebracht hat, wo sie Ihre Gefühle in die ganze Welt gestreut haben.
 
Ich denke, Sie haben jetzt schon verstanden, was Musik zu leisten vermag. Deshalb werde ich jetzt unsere Art durch Musik Gefühle auszudrücken einbinden. Mein Wortschatz und Erfahrung reicht nicht dafür aus Ihnen das zu erklären, deshalb fragen wir Christos Savvidis der das definitiv schaffen wird.
 
Ich werde nur eine Frage stellen: Christos, wieso sitzen wir tagelang an einem Tisch und singen bzw. hören zu?
 
Die Frage ist nicht, wieso wir tagelang gemeinsam an einem Tisch sitzen und singen, sondern vielmehr, wie schaffen wir es am Ende aufzustehen und aus dieser “Reise” wieder zurückzukehren. Es ist nicht etwas Bestimmtes. Es ist eine Kombination vieler Gefühle während dieses “parakath” (zeitlich längeres Beisammensein), wie wir es nennen. Es kann dabei zur gleichen Zeit gelacht und geweint, getrauert und geliebt, von vergangenem und noch bevorstehendem gesungen werden. Die Gefühle haben freien Lauf.
 
Wie entsteht aber dieser Moment? Wie beginnt alles? Was ist ausschlaggebend? Der Grundbaustein ist eines unserer Instrumente, wie die Lira, der Dudelsack oder die Flöte. Die Sänger müssen nicht von guter Stimme sein, vielmehr kommt es darauf an, das gesungene selbst zu fühlen und den am Tisch sitzenden einzubinden, sowohl am Singen als auch am Gefühl selbst. In einem parakath gibt es keinen Hauptsänger. Alle singen gemeinsam und jeder bringt seine Gefühle über verschiedene Strophen zum Ausdruck. Wenn ich verliebt bin, dann singe ich meine Liebes-Strophe zum Lied, wenn ich trauere, dann kann ich dies ebenfalls im gleichen Lied mit einer entsprechenden Strophe zum Ausdruck bringen. Es kann vorkommen, dass dasselbe Lied über Stunden gespielt und nur verschiedene Strophen gesungen werden, von denen es tausende gibt.
 
Zu einem parakath gibt es keine Anleitung, es existieren keine festen Vorgaben und auch kein Programm ist vorgeschrieben. Ausschlaggebend ist der richtige Moment, die Gefühle, die zum Ausdruck kommen wollen und dass die zusammensitzenden gemeinsam “reisen” möchten. Wenn das klappt, dann möchte man am liebsten nie wieder zurückkehren.
 
Ich denke Christos hat uns einen Einblick gegeben, jetzt muss man es nur noch miterleben!
 
Es gibt eine bestimmte Strophe, die ich immer hören will und die die Poesie, die sich in unsere Musik verbirgt, zeigt, die Übersetzung ist natürlich kaum realisierbar, aber ich probiere es…
 
Unzählig sind meine Sorgen
und füllen ein ganzes Boot
wenn diese über Bord gehen würden
trübe sich das gesamte Meer
 
Τεμά τα τέρτια ειν’ πολλά
Έναν παπόρ΄ γομώνε
Αν σύρ΄ατά ση θάλασσα
Και τα νερά θολώνε
 
Bleibt gesund!