Über Glühwürmchen

 

Das Dorf meiner Mutter ist Kechrokampos in den Bergen bei Kavala, dass meines Vaters ist Krinides, was eher eine Kleinstadt ist, ohne den Charakter eines Dorfes. Unsere Sommerferien, soweit ich denken kann, haben wir in beiden verbracht. Krinides wurde für mich erst interessant als das Nachtleben und alles was dazugehört wichtig wurde. Mit dem Dorf meiner Mutter jedoch verbinde ich andere schöne Kindheitsmomente. Der Charme eines Bergdorfes mit Oma und Opa, Schotterwegen, Nutztieren, Hund und Katze wie auch Eier, Milch und Gemüse aus eigenem Anbau brennt sich ins Gehirn ein und sorgt für den Rest des Lebens für schöne Erinnerungen.

Kexrokampos 
 
Krinides, antikes Theater 
 

Ich bin mit Sicherheit nicht in dem Alter für einen Rückblick obwohl schon etwas Nostalgie dabei ist. Dieser Rückblick geht auch nicht in irgendeinen längeren Lebensabschnitt, es geht hier nur um Kindheitserinnerungen in den Sommerferien, im Dorf mit Freunden, Verwandten und Großeltern.

Laß mich ein Kind sein, sei es mit mir!
Maria Stuart (Friedrich Schiller)\
 

Jeden Morgen mussten wir diese frisch gemolkene, gekochte, fettige und intensiv riechende Milch trinken, weil sie ja so gesund war. Ich habe diese Tortur mitgemacht, aber es war ein großer Kampf. Immer wieder lief ich zu meinen Großeltern in den Stall und setzte mich neben Sie während des Melkens. Mein Opa füllte den 10l Eimer in 10 Minuten, ich schaffte es in der Zeit ein Schnapsglas zu füllen. Ich habe so fest die Euter gedrückt, ich glaube die Kuh hätte mir am liebsten eine mit den Hufen gegeben. Von der Technik meiner Großeltern war ich Welten entfernt. Dies alles hat sich in der Scheune abgespielt, hinter der mein Opa meine Oma zum ersten Mal geküsst hat, natürlich heimlich.

Hochzeitsbild meiner Großeltern aus Kechrokampos
 

Als wir schliefen, wurde mein Opa schon längst vom Hahn geweckt und hatte sich mit all den Kühen auf den Weg in die Berge zum Hirten gemacht. Es war für mich immer ein highlight, abends, zusammen mit meinem Opa und meinem Bruder die Kühe abzuholen. Johnny, unser Hund, war auch dabei. Ich kann mich nicht an unsere Gespräche erinnern, ich denke aber das ich viele Fragen zu allem gestellt habe und er diese gern beantwortet hat. Es ist was besonderes seine Enkel einmal im Jahr zu sehen. Für mich waren diese Momente großartig, mein Opa und ich in den Bergen, ein kleines Abenteuer.

Ich durfte oft die Buttertrommel rühren, denn dort haben wir aus der Milch Butter gemacht. Stellen Sie sich vor: Selbstgemachte Butter auf selbstgebackenem Brot und dann noch selbstgemachte Feigenmarmelade mit ganzen Feigen drauf. Das Leben im Dorf eben.

Ich wollte die Eier, die ich esse, immer selbst aus dem Hühnerstall holen, ich musste vorsichtig sein, dass die fiesen, hinterlistigen Hennen nicht da sind, ich hatte wirklich Angst… Ich griff in Ihr Legenest und sammelte alle Eier ein, ich kann mich an die Wärme der Eier erinnern, sie waren zwar nicht so weiß und so sauber wie im Supermarkt in Deutschland, aber ich habe schon schnell gelernt das im Dorf alles etwas anders, natürlicher ist.

Meine Oma war schon längst im Gemüsegarten. Nachdem ich also vor der Haustür die unzähligen Basilikumpflanzen streichelte, um danach ihren Duft in meine Handballen zu riechen, ging ich in die Küche und erblickte grüne Paprika, Auberginen, Tomaten und kleine Gurken. Ein Blick, und dieser unbeschreibliche Duft, genügte um sagen zu können dass es gleich die saftigsten, schmackhaftesten und rotesten Tomaten der Welt als Salat gibt, das es als Snack die bittersüßesten Gurken aller Zeiten geben wird und dann noch die leckersten gebratenen Paprika und Auberginen mit Knoblauch ……das ist übrigens auch heute noch so.

Mein Onkel Ioannis, meine Cousin Thomas und mein Bruder essen Wassermelon
 

…die Glühwürmchen

Wir Kinder wussten, wohin wir gehen mussten als es dunkel wurde, um Glühwürmchen zu sehen und einzufangen. Die meiste Zeit waren es meine Cousins Kostakis, Waso, Jana, Stella und auch Popi, eine Freundin, manchmal auch meine anderen Cousins Kostas und Thomas. Wir versteckten uns also und griffen zu. Wir legten diese besonderen Käfer auf unsere Nase, ich weiß zwar nicht warum, aber dort blieben sie eine Zeitlang und leuchteten. Sowas vergisst man nicht…ich habe viele Jahre keine mehr gesehen.

....so könnte es gewesen sein
 

Bevor wir dann ins Bett mussten haben wir noch auf den Sagenumworbenen Igel gewartet, der nachts herumschlich. Leise mussten wir sein, um ihn zu sehen. Ich glaube auch das er ein Paar mal wirklich kam.

Der Morgen danach fing mit geschlagenem Ei an. Vielen sagt das wohl nichts. Es war der absolute Traum, vergesst Sachertorte und Schwarzwälder Kirschtorte. Drei Eigelb, 8 Löffel Zucker, auf den Schoß von Opa, er nimmt den Löffel und rührt wie wild 10 Minuten darin bis eine Creme entsteht die jeden Gourmettempel in den Schatten stellt. Brot rein und dann ab in den 7. Himmel.

Mit meinem Bruder durften wir oft auf unseren Eseln reiten und auch auf dem Maulesel namens Koukla, also Puppe bzw. Schönheit von Onkel Kotsos.

Mein Opa, meine Tante Tasoula, meine Cousine Stella, meine Bruder und unser Esel
 

Ich erinnere mich auch an meinen anderen Opa, in Deutschland. Wir haben Aprikosen gegessen den Kern jedoch nie weggeschmissen. Wir hatten eine Steinplatte vor unserer Wohnung in Herbrechtingen, dort haben wir draufgespuckt und den Kern beidseitig so lange gerieben bis etwas weißes zum Vorschein kam. Wir entfernten dieses weiße Kernfleisch, platzierten den übrigen Kern zwischen Lippen und Vorderzähne und fertig war die Pfeife! Meine Oma hat dann oft gesagt wir sollen leise sein, bevor sie uns umarmte, küsste und uns dann Ihren einmaligen Milchreis zu essen gab. Unsere Großeltern haben uns miterzogen, ich hoffe ich teile dieses Glück mit vielen.

 

Meine Großelter väterlicher Seits
 
Weihnachten in Deutschland
 
Früh in den 60ern als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, viele sollten folgen
 

Ich bin bis heute Nichtraucher, aber ohne es zu wissen habe ich schon oft als Kind in Kechrokampos Tabakblätter gepflückt und diese dann durch eine lange Nadel gesteckt. Viele aus dem Dorf waren Tabakbauern, meine Großeltern auch. Das war die Haupteinnahmequelle damals. Also gingen wir mit unseren Eseln los, beide hatten jeweils zwei riesige Körbe um den Körper gebunden. Wir hatten Spaß, für alle anderen war dies natürlich sehr harte Arbeit. Aber es waren auch Familienmomente, alle saßen gemeinsam unter dem Wahlnussbaum und bearbeiteten den Tabak. In der Zeit, in der Meine Oma 10 Nadeln füllte, brachten wir es zu einer, die restliche Zeit spielten wir auf der selbstgebauten Schaukel, die um einen dicken Ast gebunden war.

 
Meine Großeltern auf der Tabakplantage
 
 
 
Verarbeitung des Tabaks vor dem Haus
 
 
 
Verarbeitung des Tabaks unter dem Walnussbaum
 

Wir Kinder waren für die Himbeeren und Brombeeren zuständig die damals links und rechts der Schotterstraßen wuchsen. Wir nahmen uns also einen Behälter und sammelten drauf los, wir kamen zurück und gingen sofort zu unserem Brunnen, um das Obst zu waschen, wir tranken dann natürlich auch aus dem Brunnen, wo das eiskalte Wasser floss. Wir ließen den Wasserhahn immer ein bisschen tropfen, den darunter befand sich die riesige Wassermelone, die nach dem Essen auf dem Speiseplan stand. Die Himbeeren verteilten wir dann Stolz an alle, wir hatten während des Pflückens schon genug davon gehabt.

  
Wassermelone mit unserem Vater
 
 
Mit unserer Mutter in Krinides

 

Ich könnte noch sehr viel schreiben, über tolle Zeiten mit meinen Cousins, über das Ohr-Gebäck, das meine Oma immer machte, über all die Menschen die uns soviel Liebe gaben. Da waren Onkel Kotsos, der auch noch mit 80 wie ein 20jähriger gearbeitet hat, Tanta Wasi die immer an die Wand klopfte und zum Kaffee gerufen hat, Tante Agapi die immer aus ihrer kleinen Küche kam und uns was zu essen gab, Onkel Alexis der uns auch Mal auf eine Traktor Tour mitnahm und Onkel Moustakas, der mir immer einen Whisky anbot als ich 10 war, am Ende trank ich eine Limonade, und all die anderen………auch meine anderen Großeltern aus Deutschland/Krinides von denen ich so viele gelernt habe.

 
…geliebte, verstorbene Verwandte

 

 
Meine Oma backt das Ohr-Gebäck

 

All dies haben wir oft ins Leben gerufen indem wir große Familientreffen organisiert haben, wo alle Generationen gemeinsam den Tag verbracht haben und wo wir traditionelle Speisen und vor allem Brot zubereitet haben.

 

Wichtig ist es diese Momente, diese Menschen nie zu vergessen. Das sind wunderschöne Erinnerungen und werden immer ein Teil unseres Lebens bleiben, ein helles Licht, das immer leuchtet, wie das des Glühwürmchens…

 

 Verschiedene Fotos: