Das Café am Weißen Turm Thessaloniki, Griechenland

Wie kann man soziale, politische und humanitäre Themen auf eine ungewöhnliche Art und Weise
vermitteln? Im Zeitalter der übermächtigen und vor allem meinungsbildenden Medienlandschaft und
deren stärksten Werkzeugs, des Internets und der sozialen Medien? Wer lügt? Wer spricht die
Wahrheit?

Wir haben weit ausgeholt, wollen unseren Focus jedoch auf ein Thema lenken, das außerhalb
Griechenlands kaum jemand wahrnimmt. Was haben Thessaloniki und das Café damit zu tun?

Der Zufall wollte es, dass an einem sonnigen Sonntagmorgen im Januar folgende Persönlichkeiten sich
dort trafen, um sich zu unterhalten, zu philosophieren – heute würde man es wohl brain storming
nennen. Aristoteles, Friedrich von Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, der junge Alexander (später
Alexander der Große (Schüler von Aristoteles)) und Victor-Marie Hugo.

„Die Phantasie ist ein ewiger Frühling“ – Friedrich von Schiller (1759 – 1805)

Bedienung: Guten Morgen, was darf ich Ihnen zu trinken bringen?
Aristoteles: Meine Freunde, wenn ich das übernehmen darf. Wir hätten gerne einen Bergtee aus
Makedonien, diesem wurde unlängst von der Universität in Heidelberg eine wohltuende und
heilende Wirkung nachgewiesen. Für Alexander bitte einen Kakao mit Sahne.

Hugo: Bergtee haben wir auch oft in meiner Jugend in Paris, Neapel und Madrid getrunken; ich denke,
das waren lokale Produkte. Bergtee assoziiere ich immer mit Heimatverbundenheit.
Goethe: Aristoteles mein Freund, nur fehlen die Berge. Ich mag den Rhythmus der Großstadt nicht,
auch wenn Thessaloniki ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen ist und somit hochinteressant.
Wenn wir das nächste Mal nach Griechenland kommen, würde ich gerne in deiner Berghütte bei
Veria diesen Tee genießen.

Aristoteles: Da bin ich ganz bei dir, Johann. Eine Besonderheit bei uns ist, dass fast jeder ein Dorf seine
Heimat nennen kann. Jeder schwärmt von der Oma und dem Opa, die sich auf den Äckern und mit
dem Vieh durchkämpfen. Nostalgisch spricht man über die Liebe, die einen dort erwartet und auch
über die kulinarischen Besonderheiten, wie einfach diese auch klingen mögen…ich spreche von
rubinroten Tomaten, Paprika mit einem raumfüllenden Duft, Auberginen und Gurken, besondere
Speisen aus schwierigen Zeiten.
Goethe: All dies, zusammen mit eurer Geschichte und dem Meer, unterstreicht meiner Meinung nach,
dass „die Griechen den Traum des Lebens von allen am schönsten gelebt haben“.
Hugo: (streicht Alexander über den Kopf und schaut ihn an) Du weißt es noch nicht, aber du wirst die
größte Geschichte Griechenlands schreiben.

Aristoteles: Victor, erzähl uns was von dir. Wir wissen natürlich, dass dein Vater einen hohen
Militärposten unter Napoleon innehatte und dies nicht einfach für deine Familie war, aber was will
uns deine Literatur heute sagen und lehren?
Schiller: Ich würde gerne deine Frage ergänzen und Victor fragen, wieso der Vatikan auch viele seiner
Werke verboten hat.

Hugo: Friedrich, das ist wohl leicht zu erklären und zu verstehen. Alexander sollte hier auch gut
hinhören. Denn auch wenn einem Böses widerfährt, sollte man seinen Prinzipien und seinen
Überzeugungen nicht den Rücken kehren. Ich habe demokratische Grundwerte verteidigt und
versucht, den Menschen ihren Wert und ihre Rechte zu vermitteln. Freidenken hat schon oft in der
Geschichte die Mächtigen verärgert.
Goethe: Friedrich, du bist in die Geschichte eingegangen als ein Schriftsteller, der den Menschen
Vernunft-, Humanitäts- und Freiheitsideale näher gebracht hat. Du hast mal gesagt „Der Bau einer
politischen Freiheit ist das vollkommenste aller Kunstwerke“. Erzähl uns, bitte, darüber und auch,
wieso du - so sehe ich mich übrigens auch - als Philhellene in die Geschichte eingegangen bist.
Schiller: Victor, du und auch ich sind in einem offiziellen Schriftstück, einer Bekanntmachung und
Danksagung kurz nach 1821 im Nationalen Historischen Museum von Athen verewigt als
Philhellenen. Ihr werdet euch erinnern, dass zu dieser Zeit viele Städte und Vornamen, die vergeben
wurden, griechischer Herkunft waren. Das Land, dass, dich Aristoteles, Plato, Hippokrates, die
Demokratie, Philosophie und so vieles mehr hervorgebracht hat, stand Jahrhunderte unter
osmanischer Herrschaft und hat 1821 um seine Freiheit gekämpft, ja, ich würde sogar sagen, unsere
Freiheit. Wir drei sind zu dem geworden, was wir sind durch die antiken Schriften. Es ist eine große Ehre
ein Philhellene zu sein.

Hugo: Besser kann man es nicht erklären.
Aristoteles: Es rührt mich, dich so sprechen zu hören und es macht mich stolz. Jetzt sag uns aber noch
ein paar Worte zu dir, guter Freund.
Schiller: Ich will die Zeit, die wir hier verbringen, lieber über Alexander sprechen. Er wird in seiner
Zukunft Kriege führen, was ich nicht gutheißen will, aber vor allem wird er die griechische Kultur über
die ganze damals bekannte Welt verbreiten. Trotzdem schließe ich mein Plädoyer mit einem Zitat aus
meinem Werk Maria Stuart, in dem viel von mir steckt „Lass mich ein Kind sein, sei es mit“.
Aristoteles: Alles, was man von ihm erzählen und schreiben wird, ´der gordische Knoten´, ´das
Gespräch mit Diogenes´, ´die Zähmung von Bukephalos´, seine Schlachten und die Verbreitung der
griechischen Kultur, all das habe ich selber nie voraussehen können. Als sein Vater Phillip II. ihn mir
anvertraut hat und ich mit ihm Homers Werke, die Odyssee und die Ilias, durchgegangen bin, habe ich
gespürt, dass er etwas ganz Besonderes ist. Seine Statue steht nicht umsonst hier in Thessaloniki, er
ist ein großes Stück Griechenland.

Schiller, Goethe, Hugo und Aristoteles blickten auf die Statue Alexanders, während der Kleine seinen
Kakao trank. Alle fragten sich, was er Ihnen wohl bei ihrem nächsten Treffen erzählen wird, wenn
er sein 30. Lebensjahr erreicht…